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Freiheit


Freiheit ist ein großes Wort und immer wieder leidenschaftliche Forderung in menschlichen, gesellschaftlichen Prozessen. Es geht um Befreiung von unterdrückerisch empfundenen Einschränkungen in Wirtschaft, Politik, Kultur, Religion und Wissenschaft. Warum aber gibt es Zustände der Unterdrückung, in denen Akteure nach Befreiung, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit rufen.

Grundlage und Ursprung aller menschlichen Zustände und Prozesse ist die organische Natur – das biologische Pulsieren und Stoffwechseln in sich ständig fortpflanzenden und verändernden Formen von Einzellern, Pflanzen und Tieren auf dem Planeten Erde. Was könnte in der Biosphäre Unterdrückung und Befreiung bedeuten?

Die ersten „Lebewesen“ waren die Einzeller in der „Ursuppe“, die teils durch Fotosynthese Substanz aufbauen, zum anderen Teil welche, die diese „Produzenten“ verspeisen und so als „Konsumenten“ ihre Körper aufbauen und erhalten, soweit sie sich nicht gegenseitig fressen. Sie bilden, auch jetzt noch im Boden oder im Darm komplexerer Lebewesen einen Kreislauf von Produktion, Transformation (Fressen und gefressen werden), Fortpflanzung und Absterben.

Einschränkende, sozusagen unterdrückerische Elemente in diesen Prozessen sind ein Mangel an den notwendigen Faktoren der physikalischen Umwelt – Sonnenlicht, Wasser, Nahrung, Schutz vor extremen Temperaturen und anderen zerstörerischen Einflüssen. Freiheit wären also tragbare bis optimale Umweltbedingungen. Weiters schränken in diesem Kreislauf die „Konsumenten“ ihre Nahrungsquellen sowie sich gegenseitig ein, in entwickelter Form: Die Pflanzenfresser ihre Nährpflanzen sowie die Raubtiere ihre jeweiligen Beutetiere in der sogenannten Nahrungskette, an deren Spitze heute der Mensch steht. Diese Einschränkung ist gegenseitig, als Techniken des Raubes und der Tötung einerseits, andererseits als Strategien der Verteidigung durch Tarnung, Flucht oder Waffen. Diese Gewalttätigkeiten werden als „harmonisches“ Gleichgewicht der Natur bezeichnet und tatsächlich haben überall in der Biosphäre Pflanzen und Beutetiere Wege gefunden, trotz der „Verfolgung“ durch Fressfeinde zu überleben und zu gedeihen. Freiheit diesbezüglich wäre ein gewisses Gleichgewicht zwischen den meist widersprüchlichen Bedürfnissen der beteiligten Akteure. Die Möglichkeit zu Wachsen, sich zu vermehren und gegen die Fressfeinde zu bestehen, nicht aber, sich ihrer entledigen zu können. In der Biosphäre besteht auf den besiedelbaren Standorten in Bezug auf die verfügbaren Ressourcen ein dichtes, vollbesetztes Netz von Lebewesen. Hier gibt es bestenfalls einen Platz zum Leben für wenige von den vielen ausgeschütteten Samen und Jungtieren, der erkämpft und ständig verteidigt werden muß. Mehr Freiheit im Sinn von Freiraum, nämlich mehr Platz als unbedingt nötig, Wahlmöglichkeit der Existenz gibt es nur bei wachstumsfördernden Klimaveränderungen, z.B. in Warmzeiten zwischen oder nach Eiszeiten oder bei geologische Katastrophen, wo die bestehenden Populationen mehr oder weniger ausgelöscht werden, für die nachfolgenden Arten der Neubesiedelung. In Nationalparks hat man herausgefunden, daß regelmäßige „Katastrophen“ wie Waldbrände nötig sind zur Verjüngung des Bestandes. Umgelegt auf menschliche Verhältnisse hieße das, daß Seuchen und Hungersnöte und Kriege förderlich wären für den Bestand und die Dynamik des Lebens.

Noch größere Freiheit entsteht immer dann, wenn Lebewesen mit neuen Techniken den anderen überlegen werden, was im Lauf der Evolution am deutlichsten beim Menschen zu verfolgen ist.

In menschlichen Gesellschaften ist Freiheit wohl auch grundsätzlich die Möglichkeit, überhaupt, wenn möglich gut leben zu können. Eine größere Freiheit ist es, seinem inneren Antrieb gemäß leben zu können. Pflanzen und Tiere können nur ihrer genetisch festgelegten Art gemäß leben: Pflanzen produzieren, Tiere fressen ihre Futterpflanzen und Raubtiere schlagen ihre Beute. Die Art und Identität des Menschen aber ist durch seine Kultur geprägt; die ist vielfältig und auch änderbar. Sie orientiert sich an der Natur aber noch mehr an den Möglichkeiten, die rein menschliche Technik und Kooperation eröffnen. Menschen können wie Raubtiere über die Umwelt und sich gegenseitig herfallen, wie Getreide auf einem Acker friedlich nebeneinander gedeihen oder wie Bienen und Ameisen einen großen Staat bilden. In speziell menschlicher Art können sie in arbeitsteiligen Tätigkeiten produzierend, mit fairem Austausch der Produkte, ein sehr effizientes Kooperationsnetz bilden oder auch dieses wie ein Wolf im Schafspelz unterwandern und ausnutzen oder es durch rohe Gewalt oder heimtückische List sich unterwerfen und ausbeuten.

Die Freiheit des Menschen ist also etwas problematisches und widersprüchliches: Es kann die Freiheit vor Räubern und Betrügern bedeuten oder die (Straf-)Freiheit für eben diese. Auch entsteht in größeren menschlichen Zusammenschlüssen Koordinationsbedarf und somit materielle und politische Macht, die von Vertretern und Führern in kulturell definierten Positionen ausgeübt wird. Für Menschen, die sich dazu berufen fühlen ist es Freiheit, das anstreben und ausüben zu können. Menschen haben auch einen verschieden starken Antrieb, etwas zu leisten oder materielle Güter zu schaffen. Es ist Freiheit, sie das jeweilige tun zu lassen, solange sie dadurch nicht Rechte anderer einschränken. Der jeweilige Beitrag zu einer Gemeinschaft, deren Schutz und Vorteile man genießen möchte ist immer ein schwieriges Thema, an dem sich zeigt, ob ein kooperativer Geist oder Heimtücke oder Unterdrückung herrscht.

Die Natur ist ein wohlgeordnetes System von blühendem, vielfältigem Leben, dessen Grundlage allerdings großteils Diebstahl, Raub und Mord, Neid, Verdrängung und Unterdrückung ist. Es herrscht die Macht des Stärkeren und die Ausmerzung der Schwachen, Kranken und Alten. Der Mensch ist aus der Natur entstanden und bleibt in ihr verwurzelt. Das typische, so erfolgreich Menschliche ragt jedoch über die Natur hinaus und steht teilweise mit ihr in Widerspruch. Neben den technischen Fähigkeiten ist das Kooperation, auch mit „Fremden“, Ausgleich, Toleranz und Mitgefühl. Diese Verhaltensmöglichkeiten, ob durch eine gemeinsame Notlage begünstigt oder aus reiner Neugierde oder aus tiefer Erkenntnis angestrebt bewirken immer wieder den evolutionären Erfolg menschlicher Gemeinschaften gegenüber der Natur oder anderen, naturgebundeneren Menschengruppen. Offensichtlich wird dieses Verhalten und seine erfolgreichen Strukturen aber immer wieder unterwandert, manipuliert und ausgenutzt von älteren, „natürlichen“ Reflexen und Taktiken. Gemeinschaften, Organisationen und Staaten wachsen mit hohem Kooperations-Anteil und gehen mit überhandnehmender innerer Ausbeutung und Unterdrückung wieder zugrunde.

Unreflektierte Rückwendung zur Natur, so verlockend sie als Heilmittel für „Zivilisationsschäden“ wie Entfremdung, Isolation und emotionale Defizite auch erscheint, ist immer ein Rückschritt, weg vom Menschlichen. Das lehrt nicht nur der Nationalsozialismus, der ja ziemlich konsequent einen (Vulgär-) Darwinismus verfolgte. Vielen modernen Naturverehrern sollte das dringende Warnung sein! Viele vermeintliche Auswüchse unserer Zivilisation wie Wirtschaftskrisen oder Kriege sind so natürlich wie Wetterkapriolen, Waldbrände oder Erdbeben. Die sich derzeit weltweit wieder etablierende Reichtums-Konzentration mit entsprechender Verarmung der Mehrheit entspricht mathematisch z.B. der natürlichen Wasser - Massenverteilung in einem Flußsystem. In exponentiell ansteigender Dynamik verfügt ein immer kleinerer Teil über einen immer höheren Anteil des Gesamtvolumens. Es handelt sich jeweils um komplexe, vernetzte Systeme mit sich gegenseitig beeinflussenden, nicht vorhersagbaren, selten, aber immer wieder katastrophalen Ereignissen. Sie passieren in menschlichen Zivilisationen genau so wie in der unberührten Natur , wenn sie nicht durch speziell „menschliche“ Einwirkung gebremst oder kompensiert werden.

Menschliche Technik und Kooperation schuf Freiheit gegenüber Bedrohung durch Tiere, Abhängigkeit von Pflanzen und Einschränkung auf Standorte. Gab es darin Fortschritte, beförderte es immer Verbreitung und Dominanz gegenüber der Mitnatur und anderen menschlichen Populationen.

Kultur heißt mehr Freiheit durch Technik und Kooperation. Natur heißt mehr Freiheit durch/nach Katastrophen.


Wesentliche technische Errungenschaften: Aufrechter Gang, Feuer, Waffen, Landwirtschaft und Viehzucht, häusliches Handwerk( Weben, Töpfern, Hausbau), Metallurgie, Rad (Transport, Wasser-, Windrad), fossile Energie, Maschinen, Motoren, Industrie, Wissenschaften, Computer.

Wesentliche kooperative Errungenschaften: Egalitäre Gruppen mit großem altruistischen(selbstlos, fürsorgend)Verhaltensanteil, staatliche Gebilde mit „republikanischen“ und „demokratischen“ Elementen ( antikes Griechenland und Rom, revolutionäres Frankreich); Staatenbünde (NL, UK, USA, UDSSR; UNO), Religionsgemeinschaften, weltweite Aufklärungs- und Wissenschafts“gemeinde“.


Bernhard Greiner, 2015